Im letzten Video habe ich versprochen, dass ich euch erkläre, warum ich Polyesterharz und Gelcoat verwende und nicht Epoxid und Lack.

Also, warum Gelcoat statt Lack? Und warum Polyesterharz statt Epoxidharz? Es gibt dafür und dawider sowohl für Polyester als auch für Epoxid.

  • In Bezug auf Haltbarkeit: Gelcoat ist einfach viel dicker. Das heisst, wenn man jetzt neuen Gelcoat aufträgt und man macht einen Kratzer rein – und der Moment wird kommen, egal wie vorsichtig man ist – dann ist eine gute Chance, dass der Kratzer eben nicht komplett durch den Gelcoat geht sondern einfach nur oberflächlich das ein bisschen ankratzt. Und wenn man Glück hat, dann kann man das wieder auspolieren und gut ist. Bei Lack sieht die Geschichte sehr anders aus, denn Lack wird aufgetragen in einer hauchdünnen Schicht, das ist so dünn wie ein Blatt Papier. Das heisst, jeder Kratzer beschädigt den Lack – unter Umständen geht man direkt runter zum Primer. Wenn man Pech hat, hat der Primer noch ne andere Farbe und man sieht solche Schäden eben leider sehr schnell.
  •  Zum Thema Farbe: Das war eins der Argumente, warum ich mich für Gelcoat entschieden habe, und zwar wollte ich nicht das ganze Deck neu machen, sondern eigentlich nur hinten den Bereich am Heck, der besonders schlimm war, denn vorne an Deck ist es eigentlich gut, da war immer eine Persenning drauf. Es ist wirklich nur dieser Bereich hinterm Cockpit, der ziemlich geschädigt war. Es ist so, dass man Gelcoat bestellen kann in jeder möglichen RAL-Farbe. Einen Link zu der Firma, die das macht, tue ich euch auch unten in die Beschreibung. Und bei Lack ist es so: zum Beispiel den International Perfection, den gibt’s in 14 Farbtönen und für mein Boot hätte jetzt keiner von diesen gepasst. Und ich hätte eben keine Lust gehabt, das ganze Deck zu lackieren, wenn eigentlich nur ein kleiner Bereich beschädigt ist.
  • Zum Thema Auftragen: Bei Gelcoat ist es so, dass man den am allerbesten sprüht und nicht pinselt. Ich hatte dazu aber gar nicht die Möglichkeiten, aber grundsätzlich gibt das natürlich eine schönere Oberfläche. Im Prinzip spielt’s aber auch nicht so eine grosse Rolle, weil man muss den nachher eh schleifen bis 5000er Körnung und dann polieren und wachsen. Das heisst, Unebenheiten kriegt man dann sowieso wieder gut rauspoliert. Bei Lack ist es so, dass er grundsätzlich natürlich auch besser zu sprühen ist. Viele Leute pinseln ihn aber auch, bzw. rollen ihn und verschlichten dann mit einem Pinsel. Das Ergebnis ist, wenn man es gut macht, auch ganz ansehnlich, aber es kann eben auch passieren, dass man so eine Art Orangenhaut bekommt oder natürlich Farbnasen und die dann wieder wegzukriegen ist eigentlich, naja, schon schwierig.
  • Dann kommen wir jetzt zum nächsten Punkt, und zwar zum Finish: beim Lack ist es eben so, wenn man ihn aufsprüht oder rollt, dann ist damit eigentlich die Sache fast erledigt. Man muss dann wirklich nur polieren und fertig. Bei Gelcoat ist das anders, die Oberfläche, selbst wenn man sie sprüht, wird sie einfach nicht perfekt und man muss auf jeden Fall noch dahinter und schleifen. Das heisst, da hat man einen Arbeitsschritt mehr und der ist auch nicht zu klein, sag ich mal.
  • So und der letzte Punkt wäre … das Thema Geld, wie eigentlich immer. Da, muss ich leider sagen, gewinnt eben Gelcoat. Denn Gelcoat ist einfach viel günstiger als Lack, aber das ist ja beim Harz genau so, Polyesterharz ist auch viel günstiger als Epoxid.

Aus der Summe dieser Gründe habe ich mich entschieden, dieses Projekt mit Polyester und mit Gelcoat anzugehen. Aber seht selbst:

Wenn man sich so umschaut auf YouTube, dann sieht man, dass heutzutage Epoxid der Standard ist. Und das macht auch in vielen Fällen total Sinn, weil: das ist ein stärkeres Material, es ist ein moderneres Material. Auf der anderen Seite muss man eben auch sagen: wir, die so alte gebrauchte Boote haben, haben zu 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein Boot aus Polyesterharz. Deshalb ist die Frage, warum nicht auch einfach mit Polyesterharz reparieren. Das ganze Prozedere mit Polyesterharz und Gelcoat ist in Amerika recht weit verbreitet, aber in Europa hat sich das irgendwie nicht so etabliert. Da wird eigentlich alles mit Epoxid und mit Lack gemacht. Ein interessanter Kanal von einem amerikanischen Bootsbauer ist https://www.youtube.com/user/boatworkstoday. Also schaut doch da einfach mal vorbei, ich finde es ist wirklich eine Horizonterweiterung, wenn man sich darüber bewusst ist, dass es eben verschiedene Möglichkeiten gibt und dass auch viele Wege nach Rom führen. Und dass es nicht immer nur die eine Lösung gibt für ein Problem. Ich will damit jetzt auch überhaupt nicht sagen, dass ich anti-Epoxid bin, also ganz im Gegenteil. Unter der Wasserlinie würde ich tendenziell alles mit Epoxid machen, weil einfach die Osmosegefahr geringer ist und das Material stärker ist. Also wenn ich jetzt ein Loch im Rumpf zu flicken hätte, dann würde ich das vermutlich mit Epoxid machen und nicht mit Polyester, aber ich würde eben sagen, beides hat seine Daseinsberechtigung.