Mal eben Gelcoat bestellen

Das Heck ist aufgedremelt, die Cracks sind mit Polyesterharz gefüllt, alles ist plan geschliffen, jetzt kann also der Abschluss folgen – einfach eine Runde Gelcoat und ab ins Wasser. So der Plan. Tja, wenn da nur nicht ein klitzekleines Problem wäre. Seit 2017 hat es sich „ausgespachtelt“, wie die Yacht hier schildert. Produkte, die Styrol enthalten, kann man als Privatperson in Deutschland nun fast unmöglich noch beziehen. Styrol ist dummerweise eine der Hauptkomponenten bei Polyesterharz und auch bei Gelcoat (denn der ist ja auf Polyesterbasis). An styrolreduziertes Harz kommt man noch halbwegs sinnvoll über Ebay dran. Gelcoat ist schwieriger, weissen bekommt man aber auch. Tja, aber wenn man sich dann auch noch Gelcoat in der passenden RAL-Farbe wünscht, dann hört der Spass auf. Früher gab es das am laufenden Band, heute ist das vorbei. Erst habe ich noch überlegt, ob man das nicht selbst anmischen könnte. Aber das ganze ist ein riesiger Aufwand und wird am Ende eben doch nicht perfekt. In der Schweiz gibt es zwar kein Styrolverbot, aber da die meisten Produkte aus Deutschland bezogen werden, ist hier auch nichts zu haben. Nach einiger Recherche also die Lösung: Castro Composites aus Spanien liefert Gelcoat in jeder RAL-Farbe! Juppi! Und gar nicht mal so teuer. Die Lieferung erfolgt mit DPD direkt in die Schweiz. Wir müssen dann zwar Zoll bezahlen, aber bekommen die Mehrwertsteuer zurück.

Mit einer RAL-Farbkarte findet man einfach heraus, welcher Farbton benötigt wird. Hier lohnt es sich, den Rumpf vorher ordentlich zu reinigen und zu polieren. So stellt man sicher, dass der neue Gelcoat auch zum sauberen Schiff passt, und nicht zu einer gräulich-dreckigen Version.

Bei Castro bestellen wir also 2 mal 5 kg Gelcoat, einmal im gebrochenen Weiss unseres Rumpfes und Decksaufbau, und einmal in dem blau-gräulichen Farbton, den das Deck hat. Es gibt dort Gelcoat extra zum Sprayen und extra zum Pinseln bzw. Rollen. Wir nehmen letzteres, da wir den Gelcoat mit Rolle und Pinsel auftragen werden. Sprayen wäre nur in einer Halle eine Option. Mit Wind einfach zu riskant.

Eigentlich soll der Gelcoat schon 5 Arbeitstage später ankommen. Wir verfolgen gespannt das DPD-Online-Tracking, bleiben extra einen Nachmittag lang zu Hause, um das Paket entgegen zu nehmen. Aber es kommt einfach nichts an! Später steht dann im DPD-Online-Tracking, das Paket sei vom Zoll beschlagnahmt worden. Dabei konnte man vorher sehen, dass es schon längst in der Schweiz gewesen war. Nach einiger Zeit an der DPD-Hotline und in Gesprächen mit dem Schweizer Zoll konnte Marc dann herausfinden, dass nicht der Zoll das Paket hatte, sondern dass es bei der Auslieferung beschädigt wurde. Infolgedessen wurde es zerstört. Hoffen wir einfach mal, dass jetzt kein DPD-Bus mit Gelcoat-Beschichtung im Innenraum durch die Gegend fährt…

Das ganze passierte dummerweise übers Osterwochenende. Die Herren von Castro Composites schickten sofort ein neues Paket los, sobald klar war, dass DPD für den Schaden aufkommen würde. Aber zu diesem Zeitpunkt war dann klar, dass wir es nicht bis Ende April schaffen würden, die Gelcoat-Arbeiten abzuschliessen.

Plan B muss her

Das Winterlager bei der Badi Mythenquai muss bis 1. Mai geräumt sein, weil dann das Strandbad aufgemacht wird und der Raum davor als Parkplatz genutzt wird. Es war also Brainstormen angesagt: Biber einfach ins Wasser tun, und dann vor Anker den Gelcoat machen? Mmh, keine so gute Idee. Einfach ins Wasser tun, Persenning drauf, und erst im Herbst den Gelcoat machen? Irgendwie auch nicht sehr verlockend, zumal die Vollpersenning ein riesiges Ding ist. Ein temporäres Lager finden, damit wir uns mehr Zeit erkaufen? Stundenlange Recherchen ergaben, dass es zwar ab und an Parkplätze zu mieten gibt, für Wohnmobile oder ähnliches, aber meistens ohne Stromanschluss. Das hilft dann eben auch nichts. Das ganze war ziemlich frustrierend.

Marc Werkstatt ist auf einem Bauernhof. Dort fragten wir dann den Vermieter an, ob wir das Boot für einige Wochen hinter die Scheune stellen könnten. Er willigte ein! Wir waren sehr erleichtert, ein Plätzchen für Biber gefunden zu haben, um die letzten Arbeiten abschliessen zu können. Und dazu auch noch mit allem Werkzeug in der Nähe. So ein Luxus.

Biber on the road

Fast einen Tag hat es gedauert, Biber reisefertig zu machen. Alle Spanngurte festzurren, den Trailer parat machen, die Plane entfernen und so weiter. Am nächsten Tag haben wir Biber mit einem geliehenen VW Amarok, der 3.2 Tonnen ziehen kann, abgeholt und zur Werkstatt gefahren. Ich habe ja leider einen „neuen“ Führerschein und darf den Trailer nicht ziehen. Marc ist ja glücklicherweise ein bisschen älter und hat gerade noch einen alten Führerschein. Sehr souverän ist er mit dem Anhänger im Schlepptau rückwärts über den engen Vorplatz der Badi Mythenquai gecruised! Weiter gings entspannt auf der Autobahn und zum Schluss einen steilen Hügel runter und rückwärts hinter die Scheune. Hut ab!

Warten auf gutes Wetter

So. Nun ist tatsächlich der neue Gelcoat da. Zwar war auch hier die Packung leicht beschädigt, aber die Farbcontainer innen drin sind unversehrt. Im April war das Wetter super, jetzt ist es seit Wochen zwischen 5 und 12 Grad, und alles an April-Wetter dabei, was man im Mai eigentlich nicht erwarten würde. Eigentlich müssten wir nur noch den Gelcoat auftragen! Aber das Wetter spielt einfach nicht mit. Bei so niedrigen Temperaturen und so hoher Luftfeuchtigkeit macht das keinen Sinn. Also ist warten angesagt. Hoffentlich sind wir aber dennoch Anfang Juni im Wasser. Drückt uns die Daumen!